Seit dem Putschversuch im Sommer sind die Medien voll mit schlechten Nachrichten aus der Türkei. Wie geht es da kritischen Journalistinnen und Journalisten? Das war Thema einer Veranstaltung der Kölner Journalisten-Vereinigung (KJV) mit dem Journalisten und Autor Baha Güngör. Als Experte in Sachen Türkei ist der 66-Jährige seit dem Putschversuch im Sommer besonders gefragt – etwa bei Phoenix, n-tv, ZDF und ARD. Im Klüngelpütz Theater sprach er mit dem DJV-Vorsitzenden Frank Überall, der die Reihe KJV-Talk in seiner Zeit als stellvertretender KJV-Vorsitzender gestartet hatte.
Der gebürtige Istanbuler Güngör kam 1961 als Kind nach Aachen, wo sein Vater als Zahnarzt arbeitete. Keine klassische Gastarbeiterfamilie, entsprechend wenig ähneln seine Kindheitserinnerungen gängigen Klischees. Untypisch für die damalige Zeit auch die Berufswahl: Güngör machte ein Volontariat bei der Kölnischen Rundschau – wohl als erster türkischstämmiger Journalist, der diese Ausbildung in Deutschland durchlief. Nach Jahren bei verschiedenen Printmedien und bei dpa leitete Güngör zuletzt die Türkei-Redaktion der Deutschen Welle.
Güngör, selbst seit 40 Jahren DJV-Mitglied, lobte das Engagement des DJV für die Türkei und Frank Überalls besonderen Einsatz: Die Aufmerksamkeit helfe den Kolleginnen und Kollegen dort. Rund 130 von ihnen saßen Anfang November in Haft, etwa 10.000 hätten ihren Job verloren, berichtete Güngör, der deutliche Distanz zu Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erkennen ließ, aber auch zu Gegenspieler Fethullah Gülen. Mit Vermutungen zum Putschversuch hielt er sich zurück, setzte aber Fragezeichen hinter das ganze Geschehen: „Ich habe das erste Mal einen Putsch per Liveübertragung gesehen“.
Wenig Gutes erwartet Güngör für die Zukunft des Landes am Bosporus: Kaum absehbar, wie dem türkischen Präsidenten die Macht mit demokratischen Mitteln wieder zu nehmen sei, die Jugend bewaffne sich. Nicht mal ein Bürgerkreig sei auszuschließen. Wichtig sei jetzt, dass die deutsche und europäische Politik deutlicher gegenüber dem NATO-Mitglied werde und dass es für verfolgte Journalistinnen und Journalisten rasche Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen gebe.
Trotz dieser Botschaften geriet der Abend für die KJV-ler nicht zu schwer, sondern auch unterhaltsam. Mit seinem durchaus rheinischen Gemüt brachte Güngör die rund 50 Zuhörerinnen und Zuhörer mit Anekdoten und launigen Bemerkungen zum Lachen. Ein ausführlicherer Bericht von Angelika Staub erscheint im JOURNAL 6/16 des DJV-NRW.||