Köln liegt inmitten einer der führenden Chemieregionen Europas. Das ist vielen Einwohnern kaum bewusst. Es sei denn, sie wohnen ganz im Süden, wo sich die Industrie immer mal wieder unangenehm bemerkbar macht. Hier bildet die Rheinland Raffinerie der Shell Deutschland Oil GmbH einen Teil des dichten „Chemiegürtels“ um die viertgrößte Stadt Deutschlands. Mit ihren beiden Werken in Köln-Godorf und dem benachbarten Wesseling belegt die Rheinland Raffinerie mehr als vier Quadratkilometer Fläche. Eine Fusion vereinigte 2002 die Raffinerie der früheren Mineralölgesellschaft RWE DEA in Wesseling und die Shell Raffinerie in Köln-Godorf zur größten Raffinerie Deutschlands. Aus Rohöl werden hier Kraftstoffe, Heizöl und verschiedene Grundstoffe für die chemische Industrie hergestellt.
„Die Shell“, wie das Unternehmen umgangssprachlich genannt wird, geriet in den vergangenen Jahren wiederholt in die Schlagzeilen – mit großen Störfällen wie dem unterirdischen Kerosinsee, der aus einer undichten Leitung gesickert war, der Explosion eines Toluoltanks oder dem tödlichen Sturz eines Mitarbeiters von einem Schornstein. Hinzu kamen Unregelmäßigkeiten und Zwischenfälle, die wiederholt für schlechte Presse sorgten und vor allem an den Nerven der Anwohner zerrten. Das Vertrauen in das Unternehmen ist vielen dabei abhanden gekommen. Die Kölner Journalisten-Vereinigung war eingeladen, sich vor Ort ein Bild vom Sicherheits- und Kommunikationskonzept des Unternehmens zu machen.
Für die rund 30 Journalistinnen und Journalisten, die dieser Einladung ins Werk Nord in Köln-Godorf Ende August folgten, hieß es erst 70mal: Sicherheitseinweisung und „Handy aus“. Auf dem Werksgelände dürfen nur Geräte verwendetet werden, die explosionsgeschützt sind, erfuhren sie von Pressesprecher Constantin von Hoensbroech. Der ist ebenfalls KJV-Mitglied und präsentierte den Kolleginnen und Kollegen zunächst ein paar Fakten zur Geschichte und den Produkten der Raffinerie sowie zum Markt, auf dem Shell sich damit behaupten muss. Nicht zuletzt ging es um große Projekte, mit denen die 70 bzw. 55 Jahre alten Werke derzeit modernisiert werden. Darunter das Rheinland-Programm Rohrleitung, bei dem Shell seit 2013 und voraussichtlich bis 2018 etwa 17.000 der insgesamt 60.000 Rohrleitungen durch Fachleute zusätzlich zum normalen Prüfzyklus untersuchen lässt. Denn es hatte in jüngerer Zeit nicht nur die das ausgetretene Kerosin gegeben, sondern weitere Leckagen.
Bei einer Busfahrt durch das das Werk Nord erläuterte von Hoensbroech weitere Einzelheiten zum Werk und seinen Produktionsprozessen. Dabei konnte sich die Gruppe einen Eindruck verschaffen, wie weitläufig das Gelände ist – und wie viele Anlagen, Tanks und vor allem Rohre es zu überwachen gilt. Zu hören gab es zudem Kurioses – etwa, dass die Abfüllanlagen, auf denen Tankwagen verschiedenster Marken mit je eigenem Kraftstoff befüllt werden, formal zum Hafengebiet Hamburg gehören. Oder dass Shell der größte private Waldbesitzer in Köln ist, dessen 40 Hektar Lebensraum unter anderem für seltene Singvögel bieten, aber auch mal für marodierende Wildschweine.
Für das weitere Gespräch standen den KJV-lern hochrangige Shell-Vertreter Rede und Antwort: Claus-Christoph Hoppe, in der Raffinerieleitung für den Bereich Gesundheit, Sicherheit und Umwelt verantwortlich, und Kommunikations-Chef Dr. Jan Zeese. Deren Botschaft: Die Vorfälle seien inakzeptabel und Shell arbeite daran, sicherer zu werden.
Ein Baustein ist das 2014 eröffnete Sicherheitscenter im Werk Nord, das alle durchlaufen müssen, die auf dem Werkgelände arbeiten. Das gilt nicht nur für die 1.600 Mitarbeiter, sondern auch für die bis zu 1.300 „Kontraktoren“: Dabei handele es sich nicht Arbeiter, die aus Kostengründen „outgesourct“ seien, wie Sicherheitsmanager Hoppe betonte, sondern um Mitarbeiter von Partnerfirmen, die für bestimmte Arbeiten als Spezialisten hinzugezogen werden.
Auch die „Meldekette“ bei Vorfällen sei in jüngerer Zeit verbessert worden, so dass Medien und Anwohner schneller informiert würden, erklärte Dr. Zeese. In der Vergangenheit hatte es immer wieder Kritik gegeben, weil die Nachbarschaft bei Rauchwolken, störenden Gerüchen und ähnlichem zu lange im Unklaren gelassen wurde. Dass das Misstrauen gegenüber der Raffinerie heute größer sei als in früheren Zeiten, sei infolge der großen Störfälle verständlich. Das Vertrauen, das durch die großen Störfälle verloren gegangen sei, müsse Shell nun in sehr kleinen Schritten wieder zurück gewinnen.
Zeese und Hoppe machten aber auch deutlich: So sehr sich das Unternehmen bemühe, die Wahrscheinlichkeit von „Ereignissen“ zu senken, Beeinträchtigungen oder Zwischenfälle könnten trotz aller Vorsorge und Sorgfalt nie völlig ausgeschlossen werden.