Streifzug durch mehr als 2 000 Jahre

„Bitte schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, Sie wären in einem großen Warenlager, etwa von Ikea oder Amazon.“ So begrüßte Hanskarl Willms die Kolleginnen und Kollegen der Kölner Journalisten-Vereinigung (KJV) in der romanische Kirche Groß St. Martin.

Eine Gruppe Menschen verteilt sich in einem Kirchenraum locker um einen älteren Mann.
Einmal die Augen schließen und sich vorstellen, man wäre in einem Großlager: Dazu ermunterte Hanskarl Willms die KJV-Gruppe | Foto: Corinna Blümel

Der Gedanke irritiert, hat aber einen guten Grund, wie Willms erläutern sollte.: Ehe hier die Kirche im 12. Jahrhundert erbaut wurde, wurde das Areal unter anderem für den Warenumschlag genutzt – mit vier großen Lagerhallen. Von der mehr als 2 000-jährigen Geschichte des Standorts, beginnend in der Römerzeit, handelte die KJV-Führung im August.

Hanskarl Willms erzählte, aus welchen strategischen Gründen die Römer hier etwa 19 vor Christus die Siedlung Oppidum Ubiorum gründeten, die 50 nach Christus zur Colonia Claudia Ara Agrippinensium erhoben wurde und sich zur zweitgrößten Stadt (nach Rom) im Römischen Reich ent­wickelte.

Heute liegt Groß St. Martin zwar mitten in der trubeligen Kölner Altstadt, aber an einem erstaunlich ruhigen Platz. Zur Zeit der Stadtgründung war dieses Areal eine vorgelagerte Rhein­insel, auf der die Römer Sportstätten für ihre Legionäre errichteten. Dazu gehörte ein Schwimmbad, auf dessen Reste man bei Ausgrabungen in den 1960er und 1970er-Jahren stieß. Zusammen mit weiteren Zeugnissen des römischen Vergangenheit kann es heute in der neu geschaffenen Krypta unter Groß St. Martin besichtigt werden.

Mitte des 2. Jahrhunderts schütteten die Römer das Gelände auf und errichteten anstelle der Sportstätten die erwähnten Lagerhallen. Zu dieser Zeit versandete der Rheinarm zwischen Insel und Ufer zunehmend und wurde nach und nach wohl auch mit Abfällen des Alltags verfüllt. Ab dem 10. Jahrhundert entstand hier ein neues Viertel. Im 12. Jahrhundert wurde ein Stift gegründet, aus dem später ein Benediktinerkloster hervorging. Dessen Abteikirche Groß St. Martin wurde auf den Fundamenten der Lagerhallen gebaut. Nach der Säkularisierung im 19. Jahrhundert diente Groß St. Martin als Pfarrkirche.

Hanskarl Willms führte die Gruppe auf einen Streifzug durch die Jahrhunderte bis in die Jetztzeit: Nach Zerstörung im Zweiten Weltkrieg hatte es 40 Jahre gedauert, bis Groß St. Martin (als eine der zwölf großen romanischen Kirchen Kölns) wieder aufgebaut war. Seit 2009 ist Groß St. Martin wieder Klosterkirche für die Niederlassung des französischen Ordens Gemeinschaften von Jerusalem (Fraternité de Jérusalem).||

Corinna Blümel