Wie arbeiten Medienschaffende in Kriegsgebieten? Mit welchen Risiken ist das verbunden? Und was ist, wenn diese unabhängige Berichterstattung – ob national oder international – unmöglich wird? Mit diesen Fragen hat sich die Kölner Journalisten-Vereinigung (KJV) am Beispiel Afghanistans beschäftigt. Mehr als vierzig Kolleginnen und Kollegen folgten an einem Samstagmittag Mitte Oktober der Einladung ins Filmhaus Köln.

Den Auftakt machte die Dokumentation „Den Menschen im Fokus – Die Kriegsfotografin Anja Niedringhaus“ von Sonya und Yury Winterberg, ein Porträt der deutschen AP-Fotografin aus Höxter, die 2014 in Afghanistan getötet wurde. Fast ein Vierteljahrhundert hatte die Pulitzerpreisträgerin von Kriegsschauplätzen berichtet – vom Balkan, aus dem Irak und immer wieder aus Afghanistan, und dabei den Fokus auf die Opfer gelegt, um das wahre Gesicht des Kriegs zu entlarven. Mit diesem eigenen Blick, aber auch mit Mut, Durchsetzungskraft und Humor hatte sie in dieser Männerdomäne einen anerkannten Platz gefunden.
Das scheinbar spontane Attentat, dem Anja Niedringhaus zum Opfer fiel und bei dem die kanadische Journalistin und AP-Kollegin Kathy Gannon schwer verletzt wurde, hat sich inzwischen als gezielter Anschlag herausgestellt. Mehr Details dazu gibt es in einer zweiten, längeren Version des Films. Sie richtet den Fokus auch stärker auf die Situation der Mädchen und Frauen in Afghanistan, wie Regisseurin Sonya Winterberg im anschließenden Podiumsgespräch ankündigte.
Befragt von KJV-Beisitzerin Carmen Molitor berichtete sie von der jahrelangen Arbeit an dem Film mit Dreharbeiten unter anderem in Afghanistan, Pakistan und den USA. Im Laufe der intensiven Recherchen konnte sie einiges über die politischen Hintergründe des Anschlags auf die beiden Fotografinnen aufdecken. Winterberg kritisierte deutlich, dass das Bundeskriminalamt den Sachverhalt seinerzeit nicht ausreichend verfolgt hätte und dass auch deutsche Medien dem keine weitere Aufmerksamkeit gewidmet hätten. Der Täter ist seit 2021 wieder auf freiem Fuß.
Weitere Podiumsgäste waren die Kölner Publizistin Shikiba Babori und der Laif-Fotograf Daniel Pilar, der unter anderem für FAZ, stern und Spiegel sowie für NGOs und Stiftungen wie Welthungerhilfe und Volkswagen Stiftung arbeitet.
Shikiba Babori, die Ende der 70er Jahre mit ihrer Familie von Kabul nach Deutschland kam, hat das afghanisch-deutsche Reporternetzwerk Kalima-News aufgebaut. Zwischen 2003 und 2019 hat sie Afghanistan häufig bereist, um über das Land zu berichten und um dort Journalisten und auch Journalistinnen auszubilden.
Frauen, so erzählt sie, brauchten damals die Genehmigung ihrer Familie, um journalistisch arbeiten zu können. Zudem benötigten sie Unterstützung bei der Beschaffung des Equipments. Wichtig waren sie unter anderem, wie Winterberg und Babori verdeutlichten, um einen Zugang zu Frauen und Mädchen zu ermöglichen, den westliche Fotografen in der Regel nicht hatten. Seit die Taliban wieder an der Macht sind, hat sich die Lage für die Frauen bekanntermaßen rapide verschlechtert.
Zugleich ist der journalistische Blick von außen weitgehend abgeschnitten. Daniel Pilar war trotzdem jüngst in Afghanistan: Für eine GEO-Reportage über die medizinische Versorgung von afghanischen Kindern reiste er als Begleiter einer NGO ein – ein Visum als Fotograf hätte er nicht bekommen.
Dass Berichterstattung aus Kriegsgebieten unter jeweils anderen Bedingungen stattfindet, machte Pilar in einem Vergleich mit der Arbeit in der Ukraine deutlich. Die sei erheblich entspannter, als es seine früheren Einsätze in Afghanistan waren. In der Ukraine diene die Begleitung durch Militär tatsächlich nur der Sicherung. Dort sei er relativ frei in der Wahl, wo und wie er berichte. In Afghanistan musste er dagegen teils „embedded“ arbeiten, also mit Anbindung an die Bundeswehr. Da habe für die Darstellung des Geschehens vor Ort dann auch die Stimmung in Deutschland eine Rolle gespielt. In Kundus etwa habe man ihn wochenlang mit immer absurderen Begründungen gehindert, einen bestimmten Ort zu erreichen, von dem er berichten wollte.
Heute haben westliche Medienschaffende kaum Möglichkeit, in Afghanistan zu arbeiten. Einheimische Journalistinnen und Journalisten seien ausgereist oder untergetaucht, erklärt Babori.
Wo Fotografinnen und Fotografen keinen Zugang hätten, stelle Social Media sicher, dass es überhaupt Bilder gebe, erklärte Pilar. Was verloren gehe, sei aber die Idee dahinter, die alles zusammenhalte und mit der Profis in solche Situationen gingen. Deswegen gebe es vielleicht viele Bilder aus solchen Ländern, aber eben keine Geschichten. Zudem zeige Afghanistan, dass Regierungen das Internet auch extrem drosseln oder ganz abschalten können, wie Sonya Winterberg betonte. Dann fehlten selbst die Handyfotos.
Und was macht ein gutes Bild aus? Das fragte Carmen Molitor zum Schluss. Es brauche einen besonderen Zugang, eine andere Perspektive oder auch ein ungewöhnliches Motiv, es sollte darüber hinaus Orientierung geben, wo die Szene eingefangen ist, trugen die drei Podiumsgäste zusammen. Vor allem aber gehe es darum zu zeigen, was die Situationen mit den abgebildeten Menschen macht. Und was das Bild bei denen auslöse, die es betrachteten.
Da war die Diskussion wieder ganz nah beim Werk und Wirken von Anja Niedringhaus.||
